aus / from: Rhein-Neckar-Zeitung, 17. Januar 1974


"Ein Europäer im Exil"
Moodog über Moondog
Amerikanischer blinder Spielmann besucht "seine Heimat" Deutschland

Moondog - wohl die allerwenigsten werden diesen Namen schon einmal gehört haben. So bezeichnet sich ein Mann, 57 Jahre alt, blind, der aus New York nach Deutschland gekommen ist, ins "Heilige Land mit dem heiligen Fluß - dem Rhein", wie er sagt. Moondog ist in seiner Heimat als Komponist und Liedermacher eine Berühmtheit. Ebenso Paul Jordan, ein bekannter Bach-Interpret, der mit ihm nach Weinheim gekommen ist, wo sie am Freitag um 20 Uhr in der Peterskirche ein Konzert geben werden, unter anderem mit Moondogs Kompositionen.

Wir führten ein kleines Interview mit Moondog, der in der Stadt schon Aufsehen erregte, als er mit seinem lila Umhang und seinem Wikinger-Helm auf dem Kopf durch die Straßen marschierte. Moondog fühlt sich hier zu Hause - es sei schon immer sein Wunsch gewesen, in die Heimat seiner Vorfahren zu kommen. Er möchte den Deutschen von der weiterlebenden Tradition der großen Klassiker unter den Musikern berichten, vor allem von Bach, Wagner, Mozart, Haydn.

Vor 15 Jahren begann Moondog die nordischen Sagas zu studieren und darin habe er für sich den Glauben unserer Vorfahren wiederentdeckt, sagt Moondog, denn "ich habe das Leben als Christ aufgegeben, als ich geboren wurde". Moondog fühlt sich als "Gote", deren Spuren nach Persien, Nordafrika, Italien, Spanien führen, also über nationale Grenzen hinaus. Ethnische Werte sind für Moondog von Bedeutung. Und deshalb sollte jede ethnische Gruppe bewahrt werden, denn "Menschen ohne Ethik gehen zugrunde."

Seine Musik und seine Gedichte sollen den Menschen diese Einsichten näher bringen. Er findet, daß er diese Aufgabe in Deutschland leichter bewältigen kann, als in seinem Heimatland, dessen Bevölkerung er als "Haßer der Vergangenheit" bezeichnet, als Menschen ohne Gefühl für die Bedeutung der Geschichte. Hier aber, in Weinheim, habe er gastfreundliche, verständnisvolle Menschen getroffen, die ihn sich nicht als "Unikum", Außenseiter fühlen lassen, sondern sehr wohl den Bezug von seinem Äußeren zu seinem inneren erkennen können. Er fühlt sich in New York als "Europäer im Exil".

Mit 27 Jahren kam Moondog erstmals nach New York und verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Modell in einer Kunstschule; doch zu dieser Zeit ging er schon mit seinen Liedern auf die Straße. Später zog es ihn wieder hinaus aufs Land, doch als er im Bus saß, vermißte er bereits die Großstadt. Er kehrte zurück und kam in Kontakt mit großen Schallplattenfirmen. Unter anderem schrieb er zu einem amerikanischen Märchen ("Mother Goose") die Musik, die von Julie Andrews gesungen wurde. Mit seiner Tochter June brachte er eine Schallplatte mit Madrigalen heraus. Jetzt lebt er wieder auf dem Lande, er hat sich ein Grundstück gekauft. Doch nach New York kehrt er immer wieder zurück.