Norbert Nowotsch

... und das war's dann?



Am 9. September 1999 verstarb in Münster der Musiker und Komponist Louis Hardin, genannt Moondog, eine der eigenwilligsten musikalischen Persönlichkeiten unserer Zeit.
Während die einheimische Presse sonst keinen Anlaß ausläßt, um jedes halbwegs gelungene musikalische Ereignis aus dem Weichzonen von Münster zu bejubeln, war das Echo zum Tode Moondogs erschreckend flau.
Die kurze Notiz im Ultimo Nr. 22 liebevoll im Sammelsurium "Aus den Clubs" versteckt, zeugte mit "Guru", "durchgeheizter Spinner" und "bizarre Cosmic Sound Platten" nicht unbedingt von Sachkenntnis und Interesse und kann sich so noch nicht einmal mit der noch kürzeren, aber in sich exakten Notiz im Gemischtwarenladen "Gala" im Gig 10/99 messen.
Kurz hielt es auch die für längeres prädestinierte Jazzthetic 10/99, sie versuchte es hemdsärmelig hilflos mit "der gute alte Moondog", immerhin dann ergänzt mit richtigen Details.
Seltsam alles auch, weil nicht nur Moondogs letzte Wochen sich in dieser Stadt abspielten, sondern ebenso wie zwei Konzerte auch seine (fast) ersten Tage in Deutschland.
1974 kam er aus New York zu einem kurzem Aufenthalt und Engagement nach Hamburg und Frankfurt, dann nach Recklinghausen, einige Tage später auch nach Münster. Mit fast kindlicher Begeisterung für historische Stätten besuchte er den Dom und andere Zeugen der Vergangenheit, fragte, erzählte und fragte, blieb einige Tage und äußerte dabei den Wunsch, eventuell in Münster auftreten zu können. Im September 1974 war es dann möglich, durch das Zusammenspiel mehrerer engagierter Kräfte wurde das erste große Konzert von Moondog mit dem Kunstverein im Westfälischen Landesmuseum realisiert, u.a. mit einem Chor, einer Kirchenorgel und diversen Mitgliedern der Philharmonia Hungarica - übrigens zum erstenmal im Lichthof, einem später für Konzerte immer wieder gern genutzten Raum. Viele Jahre später folgte dann ein zweites Konzert, ebenfalls im Landesmuseum.
Genug Münster also und ein großer Name der neueren Musikgeschichte, reihenweise ungewöhnliche Veröffentlichungen von den 50ern bis in die 90er und Konzerte weltweit, bewundert von Bemstein über Waits bis Zappa, fotografiert von Weegee und was sonst noch - warum also diese schlappe Presse?
Immerhin - oder eher leider - schien der Musikpresse andernorts teilweise auch nicht viel mehr einzufallen:
Mit gut 1/3 Seite, Worten der Anteilnahme und diversen musikalischen Hinweisen, ohne Plumpheiten und deshalb erfreulich reagierte die Notes vom November 99. Dafür bis jetzt Schweigen beim Rolling Stone. Letzterer hatte allerdings, höchstwahrscheinlich so ungewollt wie unbemerkt, die bisher schönste Widmung mit seinem Septemberheft in den Kiosken - ungefähr im Zeitraum von Moondogs Tod. "Get a move on", vom englischen DJ Andy McCarthy alias Mr. Scruff auf der CD Beilage "new voices vol. 30", verwendet als Basis und Stukturelement ein Sample von "Lament 1 - Bird's Lament", aus Moondogs Columbia Album Ende der 60er Jahre. Moondog schrieb dieses Stück zu Ehren Charlie Parkers, am Tag als er von dessen Tod erfuhr. Es ist eines seiner orchestralen, swingenden Stücke, wie man sie auch auf der 1994 erschienenen sax pax for a sax oder Big Band aus dem Jahre 1995 wiederfindet, mit den typischen, sich wiederholenden Figuren sicher verlockend für Samples - leider auch auf der Original CD von Mr. Scruff ohne Credits.
So blieb die umfangreichste finale Darstellung den lokalen Tageszeitungen - Recklinghausen, Marl, Oer-Erkenschwick - grotesk für einen Wanderer zwischen Welten und Zeiten wie Moondog ...

Oder?

(Das Manuskript hat uns freundlicherweise der Autor zur Verfügung gestellt.)