aus / from: Der Landbote (Winterthur), 31. August 1992 p. 1


Winterthur feiert Moondog und Eicher

Winterthur (gi) Vor rund 4500 Zuschauern in der Steinberggasse und Tausenden zu Hause an den Radios - DRS 3 übertrug das Konzert live - gaben der blinde amerikanische Komponist Moondog, das Winterthurer Stadtorchester und der Schweizer Star Stephan Eicher gestern abend ein hervorragendes Konzert.

Die schlichten, eingängigen Melodien des blinden Amerikaners, die das Stadtorchester trotz fehlender Übungszeit mit Klasse interpretierte, zogen die Herzen der Zuschauer schon nach wenigen Takten auf ihre Seite. Das Orchester und Eicher mussten am Schluss gar zu zwei Zugaben ansetzen.

Weniger erfreut waren jene, die mit der hinteren Hälfte der Steinberggasse Vorlieb nehmen mussten - sie bekamen wohl auch nur die Hälfte der Moondogschen Intensität mit. Eicher führte durch den Abend und sang ein halbes Dutzend Moondog-Kompositionen, dazu sein von Moondog fürs Stadtorchester neu arrangierte "Guggisberglied".

Neben dem Grosskonzert standen übers Wochenende weitere Musikfestwochenveranstaltungen auf dem Programm: Open-air-Kino auf dem Neumarkt und ein Konzert in den Naturwissenschaftlichen Sammlungen, an dem klassische Werke berühmter blinder Komponisten gespielt wurden.


aus / from: Der Landbote (Winterthur), 31. August 1992 p. 7

Reto Gregori

Rund 4500 Zuschauer am ersten "Steibi"-Konzert der Musikfestwochen

Jubel für Eicher und Moondog


Moondog, der 76jährige blinde amerikanische Komponist, begeisterte gestern abend zusammen mit dem Winterthurer Stadtorchester und Sänger Stephan Eicher zumindest die vorderen Reihen der mit gut 4500 Zuschauern praktisch ausverkauften Steinberggasse. Die Musikfreunde in der hinteren Hälfte der Gasse hingegen waren etwas unglücklich: "Schön, aber zu leise", hiess er - für die Musikfestwochen ein ziemlich ungewöhnlicher Kommentar.

Dass Moondog einen Erfolg landen konnte, war nicht selbstverständlich: Bis letzten Freitag hatte Moondog, dessen musikalische Ideen alle um den Kontrapunkt kreisen, komponiert, und das Stadtorchester, der Schweizer Star Eicher und Moondog konnten nur drei Mal zusammen proben - man merkte es kaum. Neben Eicher traten der bekannte Oboist Henry Schuman und Hans Kennel mit einem Alphorn-Quartett auf.

Das Stadtorchester spielte unter der Leitung von Moondog wie aus einem Guss und erhielt am Schluss einen tosenden Applaus. Moondog dirigierte und bediente daneben die Kesselpauken. Ungewöhnlich für ein klassisches Konzert: Moondog, das Stadtorchester und Stephan Eicher spielten unter dem rhythmischen Mitklatschen der Gasse zwei Zugaben: "Paris, Paris", das Lied, das den Abend zwei Stunden vorher eröffnet hatte, und das "EEC Lied", Teil einer Europa-Trilogie Moondogs.

Eicher und das Orchester begannen das Konzert angesichts der fehlenden Übung verständlicherweise verhalten, doch sie steigerten sich im zweiten Teil zu einer kompakten Einheit. Moondog und Eicher, der den 76jährigen bei seinem bürgerlichen Namen Louis nannte, kommunizierten auf der Bühne, als würden sie sich seit Jahren kennen. Der Schweizer Star, der eine riesige Fangemeinde angezogen hatte, spielte zwar nur einen seiner "eigenen" Songs, das "Guggisberglied", doch das Publikum war nicht enttäuscht.

Moondogs Kompositionen kamen einfach daher, sehr einfach, doch sie überzeugten die Anwesenden - und wohl Tausende zu Hause, wurde das Konzert doch von DRS 3 live übertragen - gerade wegen ihrer Schlichtheit.