(unermittelte Tageszeitung vom 7. Dezember 1974)

Norbert Nowotsch:
Wo ist Jazz bei Moondog?
Eine ganze Reihe von Uraufführungen im Landesmuseum



Es muß wohl doch an der Lautstärke liegen. Elektronische Rock-Gewitterstürme und atonale Free-Jazz-Eruptionen wurden ohne größeres Klagen hingenommen, bei einer leisen Blockflöte oder einem Streichquartett schien die Toleranzschwelle einiger Besucher des letzten Konzertes im Landesmuseum überschritten zu sein.
Der amerikanische Komponist Moondog, ein fünfzehnköpfiger Chor, ein Streichquartett, ein Bassist, ein Flötist und ein Organist präsentierten eigens für diesen Auftritt komponierte Werke. Unnötig eigentlich zu bemerken, daß Gage, bzw. Eintrittspreis, in keinem Verhältnis zum Aufwand standen. Ohne Eigeninitiative aller Beteiligten hätte dieses Konzert wohl nie stattfinden können.
Aber, zurück zu gewissen "Hör-Schwierigkeiten". "Wo ist denn da der Jazz?" fragten einige. Nun, im ungewöhnlichen rhythmischen Aufbau der Stücke beispielsweise, im Einsatz von Synkopen, im Gebrauch von Fünfviertel, Siebenviertel- und Neunvierteltakten. Dies sowie der Gebrauch von Percussionsinstrumenten wie Congas, Maraccas oder Tambourinen verleiht Moondogs Musik diesen unnachahmlichen Swing, der in fast allen seinen Kompositionen zu spüren ist. Nicht umsonst bekam er den Beinamen "The Bridge", Die Brücke, ein Hinweis auf den verbindenden Charakter seiner Musik. So ist etwa eine seiner Kompositionen von der Rock Blues-Sängerin Janis Joplin übernommen worden und wird ohne weiteres vom Rock-Publikum akzeptiert. Und so scheinen es wohl eher "Seh-Schwierigkeiten" zu sein, hat doch ein achtundfünfzigjähriger, weißhaariger Komponist oder ein Cellist im schwarzen Anzug nur, wenig Ähnlichkeit mit einem Jazz- oder Rockstar. Musikalisch gesehen befand sich ein Teil der dargebotenen Stücke jedenfalls mehr auf Jazz-Boden als etwa Ornette Colemans "Skies of America" oder Keith Jarretts "In the Light".
Der größte Teil des zahlreich erschienenen Publikums war dann auch offensichtlich begeistert und forderte lauthals eine Zugabe. Diese erhielten sie in Form einer scherzhaften Trommeleinlage vom Komponisten selbst. Danach bestand die Möglichkeit, mit Moondog, oder, wie sein bürgerlicher Name lautet, Louis Hardin über seine Musik zu diskutieren. Diese Chance wurde ausgiebig wahrgenommen. Die Jazzfreunde zeigten sich im übrigen von dem eigens für dieses Konzert bereitgestellten Saal im alten Trakt des Landesmuseums besonders angetan. Äußerlich und akustisch übertrifft er die bisher genutzten Räume bei weitem.