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Probe mit dem Komponisten Louis Hardin alias Moondog für sein Geburtstagskonzert am Pfingstsonntag
Immer wieder sagt er "Yeah"

Von Wolfgang Gröne

Gütersloh/Bielefeld. Er kommt etwas zu spät zur Probe, gebeugt, mit kurzen Schritten, die Hand auf der Schulter einer Begleiterin. Während sich der Chor einsingt, sitzt Moondog etwas verloren im großen Raum nebenan. Die hageren Hände ruhen auf einem Stock, der lange eisgraue Bart fällt ihm bis auf die Oberschenkel.

Seine graue Mähne wird von einem Strickkäppi gebändigt. Beim Interview erzählt er leise auf englisch - Deutsch hat er nie gelernt - von seiner Komposition "Varusschlacht". Sie wird während des Konzert uraufgeführt, das die Alte Weberei aus Anlaß von Moondogs 80. Geburtstag morgen, Sonntag, 20 Uhr in der Rudolf-Steiner-Schule in Bielefeld-Schildesche veranstaltet.

Eigentlich sei es ja ein Kanon für 16 Stimmen, leider habe man nur acht, das sei schade. Warum die "Varusschlacht" als Thema? Hermann der Cherusker habe ihm gefallen, ein mutiger Mann. Viele Worte sind nicht Moondogs Welt, Er wirkt wie ein Weiser aus der Welt des alten Testaments.

Letzter Prophet des Kontrapunkts

Moondog - der letzte Prophet des Kontrapunkts, einer der letzten Verteidiger der Tonalität, deren Möglichkeiten seiner Meinung nach noch lange nicht ausgeschöpft sind. Seit 1947 trägt der Komponist, der mit bürgerlichem Namen Louis Thomas Hardin heißt, seinen ausgefallenen Künstlernamen. Mit einem Speer und einem Wikingerhelm stand er in den fünfziger und sechziger Jahren an einer bestimmten New Yorker Straßenecke, rezitierte eigene Gedichte, schlug dazu seine Trommel, wurde zu Orchesterproben von Arturo Toscanini und Leonard Bernstein eingeladen. 1974 blieb er nach zwei Frankfurter Radio-Konzerten in Deutschland, stand wieder auf der Straße, bis ihn die Studentin Ilona Göbel 1976 in ihrem Elternhaus in Oer-Erkenschwick aufnahm. Dort lebt er heute noch.

Rund 2000 Werke hat der im Alter von 16 Jahren bei einem Gewehrunfall erblindete Tonsetzer komponiert: Klar strukturierte Stücke, jede einzelne Note streng nach den Gesetzen der Kontrapunktik gesetzt. Regelverstöße sind für ihn unnötig, wenn es darum geht, neue Musik zu schaffen. Man brauche ja auch kein neues Alphabet erfinden, hat er einmal gesagt, um Dichter zu werden.

Die Probe beginnt. Moondog wird zu einem Stuhl geführt. Vor ihm steht eine indianische Trommel, die er mit der rechten Hand, über die er einen Schellenhandschuh gezogen hat, dezent schlägt. Die rhytmische Grundlage zu seinen Kompositionen pflegt er in der Regel selbst zu liefern. Im Saal ist Unruhe. Der WDR mach Aufnahmen, die Kamera fährt im Raum herum und Moodog spürt das. Seine Anweisungen sind eher beiläufig, sind meist nur ein leises "Oh yeah, it's good".

Sänger haben Spaß an seinem Kanon

Dann ist er wieder ganz in sich zurückgezogen, hält den Kopf halb gesenkt. Die Sänger haben unübersehbar Spaß an seinem Kanon. Eine neue Erfahrung. Viele singen noch, als sie den Probenraum nach der Chorprobe verlassen. Ausgelassen wie Kinder nach dem Unterricht.

Nach einer Pause probt Moondog allein mit den Streichern. Das Kamerateam ist fort, viele haben den Raum verlassen, Ruhe kehrt ein. Der Maestro wird lebhaft. Er bespricht die Interpretationen einzelner Stellen, merzt Fehler aus und scherzt mit den Musikern, lacht laut. Der Adagiosatz seiner Sinfonie Nr. 47 zeigt die schönsten Seiten von Moondogs Musik. Traurig und gemessen schreitet das Thema dahin, die Melodie verliert sich und taucht wieder auf, die Harmonien verwandeln sich in wunderbare Farben und verbreiten ein Gefühl von stiller Erwartung. Ein leises "Yeah", ein knappes Lächeln. Der Maestro wirkt zufrieden.


Konzert: Sonntag, 26. Mai, 20 Uhr Rudolf-Steiner-Schule, Bielefeld