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Moondog in Germany

The First Two Years 1974-1976

Eine Spurensuche

Diese Seite befindet sich im Aufbau.
Ich bin dankbar für jede Ergänzung und Info-Material aus dieser Zeit.

Moondog kam 1974 nach Deutschland und verbrachte seine ersten beiden Jahre u.a. in Frankfurt, Hannover, Münster, Hamburg, im Wendland, in Marl, Recklinghausen, Düsseldorf, Remscheid, Duisburg.
Diese Zeit wird auf dieser Seite nach und nach durch Zeitungsausschnitte, Fotos, Zeitzeugen, Interviews, Briefe, Film- und Audiobeispiele rekonstruiert.

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Auf dem Weg 1974

"Icelandic Airport 1974, January - Reykjavik".
Moondog auf dem Weg vom Kennedy Airport in New York nach Deutschland. Er dokumentiert seine Zwischenlandung in Island mit seinem tragbaren Cassetten-Recorder.
Mit an Bord sind Thelma (Teddy) Burlar, eine Freundin aus Candor, wo Moondog in einer Hütte auf einem Stück Land lebt, wenn er New York den Rücken kehrt, und sein Freund und Organist Paul Jordan, der nach einem Konzert in New Haven 1972 mit Moondog in Verbindung blieb,
„and continued his active support for the composer whose work he admired, performed, and recorded. Mr. Jordan knew what Moondog wanted, and an opportunity came when a friend of Jordan's Europe-based family, Dr. Claus Schnorrenberger (a medical acupuncturist, author, director of the German Institute of Chinese Medicine, and former musician), encouraged Ernst Stiebler of Frankfurt Radio, an enthusiast for contemporary music, to invite Moondog to structure the concluding portion of a live broadcast concert of music by composers whose work would "not fit into any of the usual categories." Moondog would receive equal billing with the two other groups in the program, but unlike them he would not need to bring his own players; the station would provide an orchestra and a chorus from Berlin for the occasion." (Robert Scotto, page 220)

Thelma und Paul organisieren den Flug. Um die Kosten gering zu halten, fliegen sie mit einem Propellerflugzeug der Icelandic Airline von New York nach Luxemburg mit Zwischenlandung in Reykjavik.

"In the middle of the night Moondog walked the ground at Reykjavik while the plane refueled, something akin to a religious experience. He returned to ‚USA' only once, briefly, despite its strong pull. This trip was a bolder experiment in living than any he had ever taken: He was going to where he had wanted to be all along." (Robert Scotto, page 221)

Von Luxemburg geht es mit dem Zug weiter nach Frankfurt.


Weinheim

Vor dem Frankfurter Radiokonzert und vor einem Orgelkonzert in der Weinheimer Peterskirche ist Moondog Gast des Eröffnungsabends einer Falconi-Ausstellung. Zu den Bildern des Fotorealisten Gigino Falconi erklingt im Hintergrund (vom Schallplattenspieler) Musik von Moondog.









Am Abend des 18.1.1974 findet in der Weinheimer Peterskirche ein Orgelkonzert unter dem Titel 'Bach, Moondog & Bach' statt.



Frankfurt



Am 25.1.1974 ist Moondog Teil des Konzerts 'Avantgarde und Pop' des Hessischen Rundfunks im Großen Sendesaal des Funkhauses am Dornbusch. Neben Moondog spielen Intermodulation (Stücke von Terry Riley) und Kraftwerk (Improvisationen). Das Konzert wird aufgezeichnet und am 27.1.1974 im Radio ausgestrahlt.
Moondog eröffnet das Konzert mit 'Heimdalls Fanfare'. Der Radiosprecher: „... dessen Kompositionen am Freitagabend unser Konzert im Großen Sendesaal des Hessischen Rundfunks 'Avantgarde und Pop' einleiteten. Sie hören ein Ensemble von Instrumentalsolisten unter der Leitung von Moondog, anschließend zwei seiner Madrigale (Anm.: 'Trees against the Skies' und 'Down is Up')."
Zum besseren Verständnis werden diese beiden sowie die weiteren Madrigale zu Beginn der Musik für das Publikum ins Deutsche übersetzt.












Moondog, blind, 'dirigiert' sein Orchester mit nummerierten Karteikarten, die er vor der Brust trägt und einzeln umklappen kann. Robert Scotto beschreibt in seiner Moondog-Biographie eine Situation, bei der diese Karten durcheinander gerieten, und die nur durch das schnelle Eingreifen Paul Jordans gerettet wurde:
"As he was conducting the brass ensemble, though, an unexpected problem came up. He had been indicating when the sixteen orchestral voices of the canonic "Procession of the Aesirs" were to come in by flipping over, one by one, printed numerals hung on his chest. In the excitement of the performance he accidentally turned over two cards at once. Enormous havoc would have ensued if Paul Jordan had not spotted the problem and swiftly and unobtrusively risen from his seat on the stage to correct it."(Robert Scotto, p. 226)



Hannover

"After Paul Jordan left, Teddy and Moondog spent the rest of their three weeks together on holiday. After visiting the Teutoburger Wald, sacred to the Viking who admired the Germanic resistance to Imperial Rome, they went to Hannover, where Moondog won over yet another young audience at an impromptu music school concert." (Robert Scotto, p. 226)

Dass Moondog zwischen Frankfurt und Hannover den Teutoburger Wald besuchte (s.o.), wird auch in einem Interview mit Hans-Joachim Krüger erwähnt (s. SOUNDS 5/1974, S. 39).
Sounds: Welcher Art Erlebnis ist für dich der erste Europa-Trip? Ein historisches …?
Moondog: In erster Linie ja, obwohl ich bislang nur wenige historische Stätten besuchen konnte. Wir waren im Teutoburger Wald, wo die Schlacht mit den Römern ausgetragen wurde; außerdem waren wir in der Nähe von Lüneburg, im Wendenland …?
S.: Im Wendland.
M.: So ist es. Dort wurden archäologische Ausgrabungen vorgenommen, und ich stand auf einem Hügel, wo vor ungefähr 1500 Jahren ein Dorf der Langobarden gelegen war. Das war ein herrliches Gefühl. Allerdings würde ich auch gern andere Stätten besuchen.


















Moondog lebte zwei bis drei Wochen in Engelbostel bei Hannover bei Ilse und Matthias Kern, die er zwei Jahre zuvor durch Paul Jordan kennen gelernt hatte. Mit dem ASTA der Musikhochschule Hannover veranstaltete der Organist Matthias Kern ein Moondog-Konzert.









In der Original Braille-Notation zu diesem Stück gibt es eine Anmerkung Moondogs:





This piece was written in Hnver
1974-2 and performed there with vx and inst
at the lcl msc school.
Moondog lässt in Braille häufig Vokale aus, so wird aus Hannover 'Hnver', aus local 'lcl' oder aus music 'msc'. 'Vx' steht für Stimme (voix) und 'inst' für Instrument(e).





Moondog präsentiert nicht nur seine Musik, sondern auch zweizeilige Verse, sog. Couplets, hier in der deutschen Version einer unbekannten Übersetzerin (eines unbekannten Übersetzers).





Teil des Konzertes ist auch ‚Ein gedichtloses Gedicht' von Sergey von Chrustschow (handschriftlich auf dem Gedicht: Prinz von Kruschtew) oder auch wie Robert Scotto bemerkt "A Russian prince with an unpronounceable name". (Robert Scotto, p. 226)





Teile des Gedichts in der englischen Übersetzung (Robert Scotto, p. 227)





Moondog komponiert unermüdlich auch in Deutschland. Aus dem bereits erwähnten Artikel in SOUNDS 5/74, S. 39:
S.: "Hast du, um auf die Musik zurück zu kommen, hier in Europa auch neue Kompositionen geschrieben?"
M.: "Ich habe in Frankfurt und Weinheim je ein Stück für Orgel und in Hannover ein neues Madrigal komponiert."
(Lg I, Weinheim, später Logrundr 25, und Lg II, Frankfurt, später Logrundr 26, beide Orgelbuch 1, Madrigal s.o.)





Hamburg

Der SOUNDS-Artikel im Mai 1974 hat für Moondog ungeahnte Folgen. Hans-Joachim Krüger interviewt Moondog im März in Hamburg, wo er mittlerweile lebt.
"Er wird bei den Kommunarden von "Release" in der Karolinenstraße 5 aufgenommen. 'Release - Verein zur Bekämpfung der Rauschgiftgefahr e.V." ist eine zu Beginn der 1970er-Jahre gegründete Selbsthilfegruppe für alternative Drogentherapien. Es sind die Drogenabhängigen selbst, die ihre Entzugstherapien in einem antiklinischen sozialen Wohnumfeld bestimmen. Praktisch bedeutet das "Kiffen, Trommeln und Pinsel in die Hand nehmen', erzählt Hans Meister, ein Gründungsmitglied, der sich an Moondog erinnert. Release betreibt damals im Raum Hamburg zwei Stadtwohnungen und drei Landkommunen. SOUNDS veröffentlicht im Mai 1974 ein Foto, das Moondog vermutlich in einem Zimmer in der Karolinenstraße zeigt." (V. Zander, Seite 66)

Tom Klatt aus Marl wird diesen Artikel lesen und mit Moondog längere Zeit leben und ihn unterstützen.
Doch darüber später mehr.











Moondog kann in Hamburg bleiben und sucht Musiker/innen für ein Konzert in der Fabrik, von dem im Sounds-Artikel schon die Rede war.









In dieser Zeit sieht man Moondog oft auf den Straßen rund um den Mönckebergbrunnen. Dort verkauft er seine Musik und Gedichte.
"I met ‚Moondog' on Hamburg streets. Liked him, liked his way to living, admired his intra-ordinary gentleness. Photographed him."
(Jan Reichhold)
Michael Fleck fotografiert Moondog für die Schülerzeitung 'Spott' des Caspar-Voght-Gymnasiums.







Beatrice Frehn, eine Fotografin, lernt Moondog "vor dem Eingang zur Karolinenstraße kennen und hatte ihn 'einfach entführt'." (Volker Zander, S. 66). Sie vermittelt ihm auch ein Zimmer in der Wohngemeinschaft ihres Freundes und Künstlers Jean Bayhurst an der Hochallee 106.

In der WG wohnt auch Hiltrud Kubicki: "Jean hatte als Hauptmieter (wir hatten Untermietverträge von ihm) 2 private Zimmer, hinter dem Atelier. Davor war der Zugang zum Garten, der für uns alle zur Verfügung stand. Ich vermute, dass Jean eins seiner Zimmer zur Verfügung gestellt hat; Moondog hat nicht irgendwo mit einem Schlafsack ‚herumgelegen'."
(Email vom 19.8.2020)
"Wir haben im Parterre links von der Eingangstreppe gewohnt. Das kleine Fenster links gehörte zu meinem Zimmer, und das große mit drei Flügeln ist das von Jeans Atelier. Die anderen Zimmer gingen zum Garten hinaus; die Küche ebenfalls.
Ja, es muss in der Zeit zwischen Februar und August gewesen sein, eher Februar bis April. Er hat sich ja auch nicht ständig bei uns aufgehalten, sondern wohl mehrere Kontakte gepflegt."
(Email vom 2.9.2020)














"Mit Beatrice Frehn entsteht im Hamburger Jenischpark die vielleicht schönste Serie fotografischer Portraits, die von Moondog existieren: Moondog unter Eichen, zu seinen Füßen eine Katze. Moondog träumend in einer Blumenwiese." (Volker Zander, S. 66)

Beatrice Frehn über das Leben mit Moondog:

"Übrigens habe ich über die Zeit nachgedacht, in der Moondog (Moondoggie, so nannte ich ihn) bei meinem damaligen Freund in der Hochallee wohnte. Moondog ging jeden Tag alleine los, um sich beim Bäcker seine Brötchen zu kaufen. Er sagte, dass er den Bäckerladen, der recht weit von unserem Haus entfernt lag, dadurch wiederfinde, dass er die Schritte bis dahin zählte und die Gerüche analysierte.











Er hat auch oft für uns gekocht, meistens rote Bohnen, wenn ich mich recht erinnere. Moondog verbrachte etwa die Hälfte des Tages in seinem Zimmer, wo er komponierte und schrieb. Täglich ging er aus, um sich an eine Straßenecke zu stellen und seine Sachen anzubieten, und um Kontakte zu knüpfen.
Ich ging oft mit ihm zusammen einkaufen, spazieren oder in Konzerte. Den Leuten an der Supermarktkasse fiel das Wechselgeld bei seinem Anblick aus der Hand (und das in Hamburg, der wohl tolerantesten bzw. gleichgültigsten Stadt Deutschlands …). Mich sah man als seine junge Geliebte an, vielleicht, weil ich ihn an der Hand führte - wir gingen ja Hand in Hand, wie ein Liebespaar.
Moondog war immer zu sprechen und hatte immer Zeit, auch wenn er komponierte - wobei er ein sehr aufmerksamer Zuhörer war, dem nichts Menschliches fremd war und mit dem ich über jedes erdenkliche Thema offen sprechen konnte. Sein feiner, zurückhaltender Humor und seine Klugheit waren einfach wunderbar.



Eines Tages nahmen wir ihn mit in eine Hütte, die ich gemietet hatte; mitten im Wald an einen Bach. Moondog ging gleich los und holte Feuerholz, damit wir uns wärmen und ein Essen kochen konnten. Mir ist schleierhaft, wie er das geschafft hat.

Ich kann mich kaum daran erinnern, wie es war, als Moondog uns verließ. Er ging, glaube ich, "für ein Weilchen nach Recklinghausen" und wir dachten, er käme bald wieder. Doch, nachdem er fort war, haben wir nichts mehr von ihm gehört."
(Email vom 24.7.2001 an Thomas Heinrich, Mitbegründer und Betreiber der Webseite www.moondogscorner.de von 2001 bis 2011)


War Moondog in New York als 'Viking' bekannt, so gilt er in Hamburg oft als 'Germane'. Die Schülerzeitung 'Spott' (s.o.) nennt ihn den 'Germanen vom Mönckebergbrunnen', in der Ankündigung zum Konzert am 10.5.1974 in der Hamburger Fabrik (s.o.) heißt es: 'Moondog - germanische Musik und Texte'. Von diesem Konzert ist leider wenig bekannt. Es scheint ein Mitmach-Konzert gewesen zu sein (s.o.), "In Moondog's Gedicht 'Die Erschaffung' werden einige Zeilen vom Publikum gesprochen werden. Jeder bekommt eine Kopie des Textes." Zusätzlich kann man Infomaterial über Moondog und seine Werke erwerben.











Der Bremer Musikverleger Horst Schubert (Eres Edition) interessiert sich für Moondogs Madrigale, die er auf einem Tonband mit den Rosy Singers (Anm.: Konzert in Frankfurt) gehört hat, und schreibt Moondog am 8.5.1974 (Karolinenstr. 9, 2000 Hamburg / Ausschnitt):
"Ich werde am Freitag, den 10. Mai in Hamburg in der Fabrik sein, wenn es geht, etwas früher, damit wir miteinander reden können. Ich werde Herrn Jehn mitbringen, der bei mir das Lektorat macht. Ich habe grundsätzliches Interesse an der Herausgabe Ihrer Madrigale."
Es dauert allerdings noch drei Jahre, bevor 1977 in der Eres Edition ‚Spruchweisheiten aus aller Welt' erscheint: 18 Kanons von Louis Hardin genannt Moondog, mit einem Vorwort von Paul Jordan und Horst Schubert (Neuauflage 2007).







Schubert erinnert sich an ein Stück mit Hörnern, das in dem Fabrik-Konzert aufgeführt wurde.
Vielleicht durch das Konzert und den ersten Kontakt entstand zudem in Hamburg ein vierseitiges Kanonwerk: "16 Kanons 16", mit deutschen Sprichwörtern, das Moondog im Eigenverlag drucken ließ. Das Portrait von Moondog auf diesem Notenblatt fotografierte Beatrice Frehn.

Nach dem Konzert, in einem zweiten Brief vom 15.5.1974 an Moondog (c/o Frauke Carstensen, Mendelssohnstr. 65, 2000 Hamburg 50), rät Horst Schubert (Ausschnitt):
"Ich bin kein Manager, aber ich möchte Ihnen den Rat geben, sich zu überlegen, was Sie wollen. Wenn sie Anerkennung als Komponist suchen, verzichten Sie bitte auf eine gar zu deutliche Anspielung auf das Germanentum und die Wikinger. Wir in Deutschland haben eine belastende Vergangenheit hinter uns und hier reagiert man anders als z.B. in den USA. Dies ist, lieber Moondog, ein Ratschlag, ich will nicht in Ihre privaten Angelegenheiten hinein reden, meine aber, Ihnen dies sagen zu sollen. Ich fühle als Ihr Freund. Die Götterwelt ist Ihre private Angelegenheit, die mit dem Komponisten Moondog wenig gemeinsam hat."


Moondog fühlt sich sichtlich wohl in Hamburg. An Matthias Kern schreibt er:







Ein Brief aus Marl (s.u.) ist vermutlich der Grund dafür, dass er nur Tage später Hamburg verlässt. Ein vorerst letzter Artikel über Moondog in Hamburg erscheint in der Deister- und Weser-Zeitung am 26.6.1974 (falls die Beschriftung richtig ist). Zu diesem Zeitpunkt befindet er sich längst in Marl, oder kehrt nochmals für kurze Zeit nach Hamburg zurück. Die Braille-Fassung des Madrigals 'Buri, Borr' ist datiert mit '1974-7-21 Hmberg' (erschienen 1981 auf der Cassette 'Facets' und 2019 auf der 10" LP Moondog - The Stockholm 1981 Recordings).




Marl

Tom Klatt aus Marl liest den Sounds-Artikel vom Mai 1974 und schreibt einen (undatierten) Brief an Matthias Kern nach Hannover.

Auszüge aus diesem Brief:

Dear Matthias!

Gerade jetzt ist mir beim Durchsehen meiner alten Sachen die Sounds mit Deiner Adresse in die Hände gefallen. Ich weiß zwar nicht, ob Du den Artikel über MOONDOG in der Sounds geschrieben hast, aber vielleicht kannst Du mir weiterhelfen ...

Vor ungefähr 4 Jahren las ich zum ersten Male etwas über Moondog in einer Hotcha Ausgabe von Urban Gwerder... Wie es so kam interessierte ich mich näher für die Musik Moondogs und es gelang mir auch die CBS LP Moondog zu erstehen...






Einem Freund von mir, der hier in Marl bei den Philharmonikern als zweiter Geiger arbeitet, habe ich die Moondog LP vorgespielt und er war sichtlich begeistert. Er nahm die Scheibe mit zur Probe und auch die anderen Musiker zeigten sich interessiert an den Werken von Moondog. Langer Rede kurzer Sinn: Es bestände hier in Marl evt. die Möglichkeit, Werke von Moondog aufzuführen. Dies müssen nicht unbedingt die Musikstücke der CBS LP sein, sondern es wäre sehr gut, wenn es längere Orchesterstücke (evt. mit Chor) von ihm gäbe …
Um noch etwas zu den Sinfonikern zu sagen: Es handelt sich dabei um die Philharmonia Hungarica (alle Musiker stammen, bis auf meinen Freund, der Tscheche ist, aus Ungarn). Es ist das einzige Orchester der Welt, das sämtliche Haydnstücke auf Schallplatte aufgenommen hat und genießt weltweites Ansehen. Zur Durchführung des Konzertes: Es bedarf lediglich noch der Zustimmung des neuen Intendanten, der seinen Dienst allerdings erst Mitte September antritt. Darum ist es wichtig, dass ich bis dahin noch einiges Material über Moondog zusammen bekomme …
Das wäre es für heute. Ich hoffe sehr von Dir zu hören und drücke die Daumen, dass alles klar geht.

Outspace Lovecalls

Tom

Meine Adresse:
Thomas Klatt
437 Marl
R. - Virchow - Str. 30a

Matthias Kern schickt diesen Brief umgehend mit ein paar persönlichen Worten ( und "mit Grüßen - noch unbekannterweise an Jean - Dein Matthias mit Ilse und Kindern") weiter an Moondogs Hamburger Adresse. "Bitte, nimm bald Kontakt auf mit Thomas Klatt, solche Leute mit Beziehungen zu Orchestermusikern sind wichtig für uns."

Tom Klatt beschreibt die Reaktion auf seinen Brief in: Moondog - Eine Sammlung zum 99. Geburtstag, S. 88-96 (Auszüge):

"I sent a telegram to the editor of the mag (Anm.: Sounds), to let him know, if he knows where Moondog stays in Hamburg, he should contact him, and that I would love to meet him in Marl (the town I lived in, near Recklinghausen, which is near Düsseldorf) and that I could try to get him in touch with my friends from the Philharmonia Hungarica Orchestra. I got no response and forgot about it, when on June 10th, the bell rung at the flat of my girl friend's door in a farm house outside the City of Marl.



Our daughter Jessica was just born (June 4th ) and it was the first day, both returned from hospital. A cab driver told me on the door, that there is a man from N. Y. for me, but I told him, that he must be wrong, I don't know anybody in N.Y. I went down the stairs, and there was Moondog, in his whole gear; helmet, spear, clothes and no money to pay the cab. I grabbed our household money (all we had for a month), paid the driver and couldn't believe my eyes.
MOONDOG IS HERE!"

In einem Kommentar zum Artikel "The Primer - Moondog" des Wire Magazins vol. 374, April, 2015 wird er noch ausführlicher (Wire 375, May, 2015):

"With his spear and helmet and a little bag. I was sort of amazed to see him ‚live': he's not a myth, he's a human being. The cab driver wanted 250 DM (around 130 Euro) as he dad driven
Louis from Hamburg up to Marl. We only had 280 DM for the whole month to buy food, nappies for the baby and pay the rent, but I paid that guy. This is the point of my story when I have to mention that I was not married to Ulla and she rented the flat she lived in from farmers, who lived downstairs and they were conservative Catholic people, who already had a problem with us, as we were not married (which made it hard to get a flat in those days and of course a sin in the eyes of Catholics. Not to mention my long hair …)
Moondog stayed with us, but the farmers wanted Ulla to leave the flat or they would cancel the contract. (Got it: 1. Unmarried woman with a baby. 2. Long hair guy living in, who looked more like an anarchist drug guy. 3. A Viking with spear and horned helmet.
Of course that was too much for them!!!)

Luckily my friend Peter Krabbe found a tiny house in the center of Recklinghausen (near Marl) which we could rent for little money, so I moved from Marl to Recklinghausen and took Moondog with me. That was in August 1974. On the ground floor lived Moondog, first floor Peter and second floor me.
That was the beginning."


Recklinghausen

Recklinghausen wird für die nächsten eineinhalb Jahre Moondogs ‚fester' Wohnsitz. Seine Anschrift ist nun ‚Paulsörter 18', auch wenn er gelegentlich woanders wohnt (z.B. ein zweites Mal in Hamburg oder in Remscheid).

Tom Klatt: "I arranged concerts for him, got him the contract with Roof Music in Bochum, built the six corner drum with him and much more …" (Wire 375, May, 2015)

Mit Peter Krabbe und Tom Klatt wohnt er in einem alten Fachwerkhaus nahe der Alten Apotheke, wo er tagsüber oft in der Fußgängerzone steht und seine Musik und Gedichte verkauft. Die Künstler und Musiker der ‚Creative Outlaws' bringen 2012 eine Gedenktafel an Moondogs Stammplatz an der Alten Apotheke in der ‚Breite Straße' an.















Knut Schlegtendal (Moondog's Corner, Gästebucheintrag vom 27.02.2005):
"Moondog wohnte 1974 ff. uns schräg gegenüber in der Altstadt von Recklinghausen (Paulsörter), gab in der Altstadtschmiede, wo wir wohnten, mit zahlreichen Musikern ein erstes Konzert "Edda - Die Entstehung der Welt", stand als Wikinger viel an der Alten Apotheke oder spielte bei uns Klavier; daraus wurde später ein sozio-kulturelles Zentrum. Er besuchte uns auch noch, als wir umgezogen waren. Wir haben gute Erinnerungen an ihn."

Werner Pesarra (damaliger Geschäftsführer der ‚Altstadtschmiede', Brief vom 21.1.2012 an MoCo): "Ein altes Fachwerkhaus wurde von der Stadtsparkasse im Bereich ‚Paulsörter' gekauft. Es wurde ‚Moondog-Haus' genannt, weil wohl bekannt war, dass er dort hauste, von wohnen konnte nicht die Rede sein. Er lebte dort mit einem Schäferhund …
Louis spielte mal bei einer Weihnachtsfeier am 24.12. in der Gaststätte ‚Baum' und ich unterhielt mich des Öfteren mit ihm, wenn er an der Alten Apotheke stand und seine ‚Zettel' abgab oder verkaufte. Das Dilemma war, dass es kein spielbares Notenmaterial gab, was sich später änderte. Im kleinen Rahmen ist er einige Male in der Altstadtschmiede aufgetreten - allerdings solo."

Peter Krabbe (Email an MoCo 21.3.2012)
"Er stand wohl eines Tages bei Tom Klatt vor der Tür, weil er das Land der Germanen erleben wollte. Tom war gerade mit mir zusammen in das Haus Paulsörter 18 Recklinghausen eingezogen. Dort war noch Platz für Moondog, wir lebten dort dann ca. 1 Jahr zusammen. Das war eine ganz aufregende schöne Zeit, an die ich mich ganz gerne erinnere, auch mit allen Schattenseiten. Dort im Haus entstand auch die große achteckige Trommel, die ein befreundeter Schreiner zusammen baute und mit frisch abgezogenem Kuhfell vom Schlachthof bespannt wurde."

Waltraud Murauer-Ziebach (Email an MoCo 19.11.2016)
"Ich kann mich nur noch daran erinnern, wie Moondog in diesem winzigen Zimmer im Haus am Paulsörter saß und die Trommel baute. Die beiden passten kaum in den Raum und vorher lag das blutige Kuhfell in der Badewanne - zum Wässern. Ich habe damals einen riesen Schreck bekommen …
Peter und Tom haben ja damals mit Moondog zusammen gewohnt, ich war nur manchmal zu Besuch im Haus und auch mal bei den Trommel-Konzerten im ‚Baum' und noch irgendwo, ich erinnere mich nicht an den Ort. Aber daran, das die Trommel nicht in den Bulli passte und wir sie abenteuerlich auf dem Dach verschnürt haben."





Willem Wittstamm (Email an MoCo vom 08.05.2011):
"Tom Klatt hat Moondog angeschleppt und nachdem er eine Weile in der Alten Schmiede in Recklinghausen gewohnt hat, ist er zu uns gegenüber in den Paulsörter gezogen. Von dort ist er immer in die Innenstadt zum Rezitieren. Er war nicht besonders sozial, war aber ab und an bei unseren Feten dabei. Für uns immer ein Heidenspaß, hat getrommelt wie ein Berserker und sich dann zum Schlafen einfach immer nach hinten fallen lassen. Mitten im Partykrach gepennt ...
Wir haben zusammen mal ein Rindsfell aus dem Schlachthof geholt, das hat er dann drei Tage lang in unserem Bad gesalzen und mit Steinen geschrappt. Hat gestunken und ausgesehen wie Pottsau, er, das Bad, das Fell. Abfluss dicht. Arnold Jütte hat dann eine Trommel in Hagalform gebaut und wir haben das Fell drüber gezogen für eine Wintersonnenwende. Wir haben getrommelt und er hat auf einer altmodischen Blasebalgorgel gespielt. Das war dann wirklich sehr magisch mit hinterher Essen ohne Ende. Das war ihm das Wichtigste dabei, dass jeder so viel isst und Bier trinkt wie er kann. Ein Foto hab ich, da liegt er auf einem Haufen Obstkisten bei meinem Freund Laufi und pennt."





Moondog schlafend,
im Besitz von W. Wittstamm


Laufi (Henrich Lauf, Email an MoCo 20.8.2014):
Das mit der Obstkiste ist eine lustige Geschichte: mein Vater war Obsthändler und musste immer um 3 Uhr nachts aufstehen und auf den Großmarkt fahren. Eines frühen Morgens sah er Moondog in Kluft und mit Helm auf besagten Obstkisten schlafend nach irgend einer Party bei uns auf dem Hinterhof und meinte mittags dann zu mir: "Dass ich auch immer skurilere Menschen zu meinen Partys einladen würde".



Logrundr Book 1

In Recklinghausen beginnt Moondog mit seinem ersten Orgelbuch (= Logrundr Book 1), 26 Komposiionen durch alle Tonarten. Seine Orgelwerke nennt er 'Lögrundr', Lögrundr 1 ist datiert mit 1974-7-5.

"I did not start writing organ music until 1974 in Germany for my friend, the organist Paul Jordan. For the first time I began writing music for the pedals, resulting in my first Logrundr Book. I combined two forms into one, the canon and the ground, giving the ground to the pedals and the canon to the manuals. I coined the word Logrundr: Log meaning Law or Canon, Grundr means Ground." (Cover-Text zur LP Moondog instrumental music by Louis Hardin, MHS 3803,1978)







Philharmonia Hungarica

Tom Klatt gelingt es, Moondog und die Philharmonia Hungarica, die ihren Standort in Marl haben, zusammen zu bringen. Moondog bekommt die Chance, Teile seiner 'Creation' mit dem Orchester einzuspielen. Vielleicht suchen er und Tom wegen dieser Nähe auch ein Zimmer in Marl.











Aus dem Artikel in der Recklinghäuser Zeitung geht auch hervor, welche Konzerte Tom Klatt für Moondog geplant hat: Recklinghausen (Baumkneipe), Bremen (Rathaussaal), Münster (Landesmuseum), Berling (Berlin?), Marl (Aula Gymnasium). Das Konzert in Münster organisiert Toms Freund Norbert Nowotsch.


Münster















Münster, 5.12.1974
© Norbert Nowotsch


Das Konzert wird aufgezeichnet, bleibt aber bis heute unveröffentlicht.




Remscheid / Duisburg

Aus einem Interview mit Heinz Martin (Kalacakra), 2017
(H. = Heinz / W. = Wolfgang, Moondog's Corner):
H.: Wo willst du anfangen?
W.: Fangen wir doch mal beim Kennenlernen an.
H.: Das war Nikolaus '74 in Duisburg, Ferdi (Anm.: Ferdi Manig, Violine) kam vorbei …
W.: Lebte er auch in Duisburg?
H.: Ja. Ferdi ist ein paar Jahre jünger, ich bin jetzt 68, Jahrgang 49, Ferdi 63 oder 64.Er wohnte in einem Haus um die Ecke, mittlerweile wohnt er auf dem Land. Ferdi und ich machten ab und zu ein bisschen Hausmusik, folkmäßig, eigene Stücke, improvisiert, und da kam er eines Tages an und sagte: "Wir sind grad im Kessel und proben Stücke von einem blinden Amerikaner. Der sieht auch ganz komisch aus, wie so'n Wikinger." Ich fragte: "Wie heißt der?" "Der heißt Moondog." Ich sagte: "Was? Den kenn' ich." Ich holte die Platte 'raus: "CBS, hier …, der ist in Deutschland?" "Ja, mit dem proben wir gerade. Ich fragte: "Hör mal, kann ich da mal mit zur Probe kommen?" "Och", sagte er, "den bring ich mal mit zu dir." CBS, Symphoniker, New York, so'n Mann turnt doch nicht alleine rum, vor allem wenn er blind ist. "Der ist nett, ganz zugänglich."




Dann schellte es und Ferdi Manig kam am Nikolaustag '74 mit Moondog die Treppe hoch. Schon fast surreal war das! Ein paar Stunden war er bei mir, Tee getrunken, ich sagte, ich fände ihn toll, bin ein Fan von seiner Platte, würde gern was für ihn machen … Er müsse nach Hamburg, die Zeitschrift 'Sounds' hat ihn eingeladen, er würde sich aber bei mir melden.

Was er auch wirklich macht, doch davon später mehr.


Konzerte

Welche Konzerte in dieser Zeit stattfinden, ist nur bruchstückhaft bisher bekannt. Waltrop, Marl, Ruhrgebiet, diese drei Ereignisse sind dokumentiert.











1975

Moondog ist erneut in Hamburg. Unter seinem 'Logrundr Nr. 6' notiert er:
1975-1 Hamburg 1st Annvsry (Anniversary) in Deuchland (Deutschland)



Logrundr Nr. 6
1-1975


Am 7.2.1975 spielt er mit Mitgliedern der Philharmonia Hungarica im Brahmssaal, Gertrudenkirchhof 9.
Nikolaus König erinnert sich an die Besetzung:
Ferdinand Manig, 1. Violine - Ludovik Sandrik, 2. Violine - Nikolaus König, Viola - Robert Davis, Cello
Er ist es auch, der seinen Freund und Organisten, Fritz Storfinger, auf Moondog aufmerksam macht. Aus der gemeinsamen Studienzeit an der Folkwang Musikhochschule in Essen weiß er, dass Fritz sich für ungewöhnliche Musiker interessiert. Er lädt ihn ein, mit nach Hamburg zu kommen.







Remscheid

Heinz Martin (s.o.): Moondog rief irgendwann an und fragte, ob ich ihn aus Hamburg abholen könnte. Ich hatte ja noch keinen Wagen und so hab' ich einen guten Freund von mir, Jochen Hofmeister, angerufen. Ich sagte: "Wir müssen Moondog in Hamburg abholen." - "Was, den Moondog?" - "Ja, genau, den Moondog!" Jochen kannte ihn auch von der Platte her. Ja, und dann sind wir am anderen Tag nach Hamburg und haben ihn aus einer Kammer, in die man ihn untergebracht hatte, abgeholt.
Da lagenn noch die alten Sounds-Hefte gestapelt, ein Bett, ein Tisch, das war alles. Die haben wohl gedacht, ist doch egal, wie's aussieht, der sieht doch nichts. Von dort haben wir ihn abgeholt und sind dann nach Remscheid. Das war ideal für ihn und für mich. Ich konnte mich ein bisschen um ihn kümmern, ein paar Sachen für ihn regeln und ihn ein wenig managen.

W.: Er hat also in Remscheid richtig gewohnt?
H.: Ja, mit mir in Remscheid, im Stadtteil Tyrol. Remscheid war eine Wochenend-Wohnung, dort bin ich groß geworden. Ich hab' da meine Kindheit verbracht, viel Natur, ein kleiner Bach, viele Erinnerungen. Die Wohnung hatte ich für meine Familie angemietet. Sie war schön, 3 Zimmer Wohnung mit Bad und alles für 180 Mark damals, das war billig, ich hatte ein bisschen Geld, das reichte für Moondog und für mich.









W.: Wann hast du ihn eigentlich in Hamburg abgeholt?
H.: Das muss im Februar oder März gewesen sein, denn das Konzert im Schumann-Saal in Düsseldorf, das ich organisiert hatte, war am 21.3.

In Remscheid-Tyrol entstehen weitere Fotos:



Heinz Martin
© 1975


W: Das Foto mit den Bongos …
H: Das ist in der Wohnung in Remscheid, in Tyrol im Haus. Ich hab' damals vom Ferdi eine Kesselpauke geschenkt bekommen, die war vom Orchester, und die stand da auch und da haben wir öfters getrommelt, ich auf der Kesselpauke und Moondog auf den Bongos oder umgekehrt.



Eckart Graefen
© 1975


W: Was sind das für Bilder?
H: Ja, das hängt ja auch hier bei mir, da oben rechts. Das ist in Tyrol im Wald.
W: Und im Hintergrund?
H: Das bin ich, mit Russenmütze und -jacke.
Moondog tränten ab und zu die Augen, Eckart hat den Moment festgehalten.


Eckart Graefen
© 1975


W: … ganz typische Sachen hier, dieser …
H: Poncho, …
W: … und dieser Waschbärschwanz.
H: Ja, … auch die selbst genähte Hose, er konnte ja selber nähen. Es war schon interessant, wie er einen Faden eingefädelt hat. Er nahm die Nadel mit der Öse, nahm den Faden in den Mund, hat die Zunge zwischen die Öse gesteckt, hat gespürt, wenn der Faden reinkam, Zunge lecken, und der Faden war eingefädelt. Das war schon raffiniert.















Helmut Brinkmann
© 1975


H: Hier sind wir mit Helmut Brinkmann in Bonn, tagsüber im Beethoven-Haus, weil Moondog da hinwollte, und abends dann bei Helmut zuhause, wo wir auch übernachtet haben.



Helmut Brinkmann
© 1975


Ich hatte da ein kleine marokkanische dreisaitige Gitarre und hab immer darauf rumgeklimpert, was Moondog ganz witzig fand.

"In Afrika, sagen die Eingeborenen, sie wollen dort leben, wo auch ihre Vorfahren lebten, weil sie hier aus der Erde bestimmte Schwingungen empfangen und sie sich den Vorfahren sehr verbunden fühlen. Ich empfinde dies ebenso. Als ich das Beethovenhaus in Bonn besuchte, war es für mich ein großartiges Gefühl, dort zu sein, wo der Meister lebte und in Salzburg war es das Gleiche mit Mozart. Mag sein, es handelt sich nur um eine Einbildung, doch ich bin eigentlich überzeugt, dass da etwas dran ist, dass es etwas Fortlebendes gibt an Orten, wo Menschen gelebt haben. Eine Art Kontakt, eine spirituelle Verbindung. Und deshalb gefällt es mir hier so." (Moondog - Lebendiger Kontrapunkt / Der Komponist Louis Hardin, 13.12.1991 WDR)




H: Das war das erste Konzert mit Moondog, da hab ich draufgezahlt, das war nämlich ganz schön teuer, Schumann-Saal in Düsseldorf, zu wenig Leute, ein paar Promis und Kraftwerks-Leute da, 'Beethoven', 'Klassik', 'Moondog'. Man wollte Moondog aufbauen zu einem großen Rock-Klassik-Star, aber nur 60-70 Leute, zu wenig im Grunde für so ein Konzert.
W: Mit wem hat Moondog denn gespielt?
H: Da hat Ferdi gespielt, David, zwei Musiker waren krank geworden, wir haben im Grunde mit vier Leuten gespielt. Ich hatte auch Percussion gemacht, Moondog hat sogar teilweise Klavier gespielt, wir mussten viel improvisieren. Wir konnten kaum etwas von den großen Werken spielen. Ferdi spielte Violine und Bratsche.
W: In einer so kleinen Besetzung habt ihr gespielt?
H: Ja.
W: David Cellist.
H: Davon hätte ich gerne Aufnahmen. Man hat damals nicht an Aufnahmen gedacht, mit einer Revox z.B., mit der ich später auch die Orgelmusik mit Fritz (Fritz Storfinger, Organist) in Oberhausen aufgenommen habe. Von da an hab' ich dann per Telefon gemanagt, damals gab es nur diese Möglichkeiten.



Tom Klatt erinnert sich ebenfalls an diese Konzert (Moondog - Eine Sammlung zum 99. Geburtstag, S. 95/96):
"Moondog stayed some months with German band Kalachakra in Remscheid near Düsseldorf, with whom he recorded private tapes and they organized a concert show in the Schumann Saal in Düsseldorf in 1975. (I remember that famous German sculptor artist Joseph Beuys was there and members of Kraftwerk and other well known German bands.) I got invited to the show, but the actor was ill, so I had to slip into the Viking costume and read some of Moondogs poems, by walking through the crowd with an axe in one hand and the poems in the other. (What an experience... me looking myself like a Viking - even without the costume - with my beard and freak flag....)"




Am Tag vor dem Düsseldorfer Konzert kam es zu einer zufälligen Begegnung mit dem Fotografen Heiner Schmitz.
H: Wir hatten abends Proben fürs Konzert mit ihm, Ferdi konnte nicht kommen, und wir, Moondog und ich, sind mit dem Bus und Zug nach Düsseldorf gefahren. Moondog: "Da gibt's doch eine alte Stadt." "So alt ist die auch nicht mehr." "Ja, aber mal Station machen." Naja, Bahnhof, Taxi genommen und in die Altstadt rein. Wir gingen ein bisschen rum, keine fünf Minuten in der Altstadt, da stand schon der ‚Express' vor uns. "Ja, entschuldigen Sie, wir sind vom Düsseldorfer Express. Wer sind Sie denn, was machen Sie?" Kurzes Interview.
Ich sagte: "Hör mal, wenn wir schon mal in Düsseldorf sind, können wir auch mal eben Bill Brown, einen Musiker, besuchen." Mit dem Taxi nach Derendorf. "Wo wohnt der denn?" "Im 4. Stock." "Oh, nein, ich stell' mich hier unten hin." H: Ich hab' ihn dann vor einem Einkaufscenter an der Münsterstraße hingestellt. Zu Bill: "Hör mal, ich hab' nicht viel Zeit, komm, wir gehen Kaffee trinken, Moondog wartet." Wir wieder runter zu Moondog, der aber nicht mehr da war. Aber wir bekamen eine Information. "Hier war ein Fotograf, da sollen Sie gleich hinkommen." Das war so um zwei Ecken rum, wir dahin.


"Ich heiße Schmitz, ich hab' Moondog hier entdeckt und ich bin einer von den Fotografen in Deutschland, die die ‚Jägermeister'-Fotos machen. Moondog wäre ein tolles Motiv."
Die Werbe-Kampagne bestand jeweils aus einem Foto und einem dazu gehörenden Spruch: Ich trinke Jägermeister, weil … (Hier kann man sich etwas ausdenken.)
"Moondog, ich geb' Ihnen jetzt 300 Mark," "Ooh, 300 Mark!" "Und wenn die Kampagne angenommen wird, dann werden es nochmal … "
H: Die Fotos wurden gemacht, kamen aber nie in den Druck. Als die Verantwortlichen hörten, dass Moondog blind war, haben sie leider Abstand davon genommen.Du darfst mit Behinderten, also Blinden usw. keine Alkohol- und Zigarettenreklame machen, das war schon damals so. Die 300 Mark hatten wir natürlich.
W: Das war alles vor dem Konzert in Düsseldorf?
H: Ja, und alles an einem Tag!


Im Frühjahr 1975 entstehen drei Super-8-Filme mit Moondog. Heinz Martin und Ferndinand Manig machen mit Moondog eine Fahrt auf dem Rhein und besuchen in Kaiserswerth die Kaiserpfalz (1174) Friedrichs des I., genannt Barbarossa.















Super-8 Standbild
© 1975, Heinz Martin


Moondog ist jederzeit bereit, musikalische Einfälle nieder zu schreiben, auch in der Kaiserpfalz. Seine Braille-Schiene und eine Karteikarte hat er immer dabei.


Super-8 Standbild
© 1975, Peter Krabbe


Peter Krabbe, Mitbewohner Moondogs am/im Paulsörter 18, filmt Moondog mit seiner Super-8 Kamera beim Spaziergang durch die Haard nördlich von Recklinghausen.





Recklinghausen

Im April spielt Moondog in der Altstadtschmiede in Recklinghausen, kann aber wider Erwarten in Deutschland bleiben, was er sich auch wünscht. Neben 'Kalacakra' spielt er im Juli in Duisburg.











Freunde Moondogs sind immer bemüht, Möglichkeiten für Auftritte zu finden. Tom Klatt versucht im August 1975 eine Tournee auf die Beine zu stellen. Mit Amerika hält Moondog auch durch seine ehemalige Managerin Kontakt, die auch für gelegentliche Überweisungen sorgt.